Foschung
Dissertationen

Vergleichende Analyse architektonischer Lehrmethoden

von Dipl.-Ing. Architektin Judith Reeh

Individuell-schöpferische Entwurfsprozesse in der Lehre

Ein Entwurf ist das komplexeste Gebilde geistiger Tätigkeit, ein Entwurf ist zugleich analytisch und synthetisch, punktuell und allgemein, konkret und prinzipiell. Er hält sich an die Sache und an Forderungen, greift auf Fakten zurück und öffnet neue Denkräume, er zählt die Erbsen und reisst Perspektiven auf. Er berechnet und eröffnet Landschaften der Möglichkeiten. Im Entwerfen kommt der Mensch zu sich selbst. Anders bleibt er Beamter.

Otl Aicher, Die Welt als Entwurf, Berlin 1991 S. 195

Thema

Dem architektonischen Entwurf kommt sowohl in der Architekturpraxis, als auch in der Lehre eine zentrale Rolle zu. Dennoch nimmt die theoretisch-wissenschaftliche Untersuchung der Entwurfslehren und der dabei angewandten Methoden an den Universitäten wenig Raum ein.

Das Vorgehen beim Entwerfen ist dennoch häufig Gegenstand architekturtheoretischer Diskurse. Von praktischen Handlungsanleitungen, die sich u.a in architektonischen Entwurfslehrbüchern finden, über die Vermittlung von Strategien, die ein Instrumentarium zur Steuerung der Entwurfsprozesse darstellen, bis hin zu theoretischen Begründungen der Entwurfskonzeptionen. Die Beiträge sind mannigfaltig. Wenn man jedoch das architektonische Entwerfen als einen subjektiv verarbeitenden Prozess der künstlerischen Produktion betrachtet, so ist dieser kaum systematisch erforscht. Die publizierten Beiträge beschreiben den Entwurfsvorgang immer rückblickend, sie thematisieren jedoch nicht den kreativen Impuls, d.h. die Anfänge.

Martin Elsaesser“, von 1947-55 Professor für Entwerfen an der TU München, vertrat die Position, dass das Entwerfen in seinen entscheidenden Vorgängen weder lehrbar noch darstellbar ist. Der schöpferische Prozess, das Wesentliche des Entwerfens, kann nach seiner Aussage, nicht in eine Norm gebracht werden, da er bei jedem Einzelnen nach individuellen Gesetzen verläuft.


Fragestellung

Ausgangspunkt der Untersuchung ist somit die Hypothese, dass das Entwerfen als schöpferischer Prozess weder lehr- noch darstellbar ist. Dies wirft die zentrale Frage auf, wie an den Entwurfslehrstühlen der Universitäten Entwerfen gelehrt wird. Welche Methoden angewendet werden und inwiefern das Entwerfen als schöpferischer Prozess des einzelnen Individuums in der Entwurfslehre verankert ist.


Forschungsdesign

Die vergleichende Untersuchung architektonischer Lehrmethoden mit zusätzlichem Fokus auf individuell-schöpferische Entwurfsprozesse, soll durch eine qualitativ empirische Untersuchung mittels Interviews durchgeführt werden. Zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse, werden die ehemals 8 westdeutschen Universitäten für diese Untersuchung herangezogen. Ausgewählt werden Lehrstühle und Lehrangebote, die einführende Veranstaltungen im Grundstudium (jetzt BA) zum Entwerfen anbieten.

Gelingt der empirische Nachweis, dass individuell – schöpferische Prozesse in der architektonischen Entwurfslehre angeleitet werden können, so ist mit dieser Forschung ein Instrumentarium entwickelt worden, zukünftig Inhalt und Ausrichtung der Entwurfslehre gezielt zu optimieren, um weiterhin die Qualität in der Entwurfsausbildung zu sichern.

Diese Promotion entsteht vor dem Hintergrund bildungspolitischer Diskurse über die Neuausrichtung der Lehrangebote im Bereich der Architektur. Sie hat den Anspruch einen aktuellen Beitrag für die Konzeption der BA /MA Studiengänge hinsichtlich Struktur und Studienangebot zu liefern.


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